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  • 05.11.2021
  • Nils Wischmeyer

"Wir könnten Tomaten auf dem Mond pflanzen"

Daniel Schubert vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) erklärt, welche besonderen Herausforderungen ein Gewächshaus auf dem Mars hat, warum die Technologie dahinter auch der Erde helfen könnte – und was all das mit Urin zu tun hat.

Das Wetter bei Daniel Schubert in Bremen ist gerade bescheiden. Dort ist er Projektleiter am Institut für Raumfahrtsysteme beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR). Doch beschweren kann er sich nicht. Denn während der 46-Jährige es sich im geheizten Raum vor der Webcam gemütlich macht, sind an der Antarktis, wo all seine Hoffnungen schlummern, Temperaturen weit unter null. Genau dort lässt Schubert unter anderem Tomaten in einem umgebauten Container neben der Neumayer-Station III, einer Polarforschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), aufziehen. Läuft alles wie geplant, ließe sich allerlei Gemüse künftig auf dem Mars anpflanzen – und das vielleicht schon bald.

Herr Schubert, sie züchten zurzeit Tomaten, Gurken und Radieschen in der Antarktis. Wäre das in Spanien nicht einfacher? 

Das wäre natürlich einfacher, wäre unserem Zweck aber nicht zuträglich. Die Bedingungen in der Antarktis sind zu dieser Zeit nämlich genau so, wie wir sie künftig auf dem Mond oder dem Mars vorfinden werden: Temperaturen von minus 50 Grad, komplette Dunkelheit und Windstürme. Besser können wir die zukünftigen Bedingungen nicht simulieren. Dazu ist die Crew von neun Leuten für knapp neun Monate komplett von der Welt abgeschottet, da fliegt kein Flugzeug und da kommt kein Versorgungsschiff hin. Die sind vollkommen abgeschieden von der Außenwelt und anders wäre es bei einer Mond- oder Marsoperation auch nicht.

Sie züchten Kräuter und Gemüse nicht in der Kälte, sondern in einem Container. Welche Gegebenheiten herrschen dort?  

Dieser Container steht etwa 400 Meter von der Polarstation entfernt und läuft in der meisten Zeiten vollkommen automatisch, so werden die Systeme dort drin quasi live getestet. Die Bedingungen für die Pflanzen sind dabei ähnlich. Ein Thermosystem hält die Temperatur bei 20 bis 22 Grad und die Luftfeuchtigkeit beträgt etwa 70 Prozent, nur der Gehalt an Kohlenstoffdioxid ist in etwa doppelt so hoch wie bei uns im Garten, das hilft den Pflanzen dabei, schneller zu wachsen.

Sie haben also ein ganz klassisches Gewächshaus in die Antarktis gesetzt? 

Es hat schon einige Besonderheiten. Erde dürfen wir beispielsweise nicht benutzen. Die ist in der Antarktis verboten, weil die Angst groß ist, dass Mikroben das Ökosystem ruinieren könnten. Die Pflanzen sitzen auch deshalb in sogenannten „Wurzel-Compartments”, das sind lichtdichte Kübel, und werden alle zwei bis fünf Minuten automatisch mit einer ganz bestimmten Mixtur angesprüht, das Wasser unten wird natürlich wieder aufgefangen. Wassergekühlte LED-Lampen sorgen zudem dafür, dass die Pflanze Licht bekommt. Wir haben für alles von Temperatur bis Luftfeuchtigkeit Systeme entwickelt, damit Astronautinnen und Astronauten künftig nicht ständig im Gewächshaus sein müssen. Aktuell gehen wir dort nur rein, um etwas zu kontrollieren.


Daniel Schubert steht vor dem Container-Gewächshaus des DLR in der Arktis, unweit von der Polarstation des Alfred-Wegener-Instituts. Foto: Daniel Schubert

Wie gut oder schlecht funktioniert das bisher? 

Wir haben in acht Monaten rund 300 Kilogramm Nahrung auf 13 Quadratmetern produziert. Das finde ich schon eine ganz gute Quote, in der Theorie könnte es sogar mehr werden, da gibt es wissenschaftlich durchaus eine Debatte, was möglich wäre. Diese 300 Kilogramm machen keine komplette bemannte Raumfahrtsexpedition satt, aber es ist eine gute Beilage zu sättigenden Lebensmitteln und auch eine wertvolle Ergänzung beispielsweise als Salat. Andere Lebensmittel, die man trocken lagern kann wie Reis, Kartoffeln oder allerlei Mehl pflanzen wir bewusst nicht an, weil sich dort ein Transport anbietet, das ist einfacher. Aber eine Gurke ist nach zwei Wochen schlecht, das kennt jeder aus dem Kühlschrank und das liegt am Wassergehalt. Die können wir nicht von der Erde zum Mars fliegen. Deshalb züchten wir die.

Ist Ihr Gewächshaus eines für die Reise oder für vor Ort?

Es versorgt die Astronautinnen und Astronauten auf dem Mars, also vor Ort. Es gibt andere Institute und Firmen, die kümmern sich um die lange Reise dorthin. Wir aber entwickeln Gewächshaussysteme, die auf der Planetenoberfläche sind, beispielsweise auf dem Mond oder Mars. Wir wären heute sogar schon so weit mit der Technologie, dass wir das umsetzen könnten. Wir könnten Tomaten auf dem Mond pflanzen. Es fehlt bisher allerdings am politischen Willen.

Warum sollte man überhaupt Gurken auf dem Mars züchten, ist das nicht eher ein Luxus für Astronautinnen und Astronauten als wirklich zielführend? 

Es gibt bestimmt einen Wohlfühlfaktor, neben Reis oder Kartoffeln von Zeit zu Zeit eine Gurke oder Tomate zu essen. Aber ein Gewächshaus hat auch viele Funktionen bei denen Mensch und Pflanze sich ergänzen und die überlebensnotwendig sein können. Pflanzen produzieren zum Beispiel Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen – und sie können künftig auch als Klärwerk funktionieren. Wir arbeiten gerade daran, dass wir den menschlichen Urin so prozessieren, dass die Pflanze ihn wiederum als Nährstoff aufnehmen kann und durch ihre Poren wieder ausschwitzt. Dieses Wasser wiederum wird dann zum Trinkwasser für Astronauten, ein wahrer Kreislauf.

Stichwort Kreislauf: Woher nehmen Sie denn die ganze Energie? 

Bisher nehmen wir die Energie leider aus einem Dieselgenerator, für mehr hat unser Budget nicht gereicht. Auf dem Mars aber wird das Ganze noch einmal eine ganz andere Rolle spielen, da wird sicherlich mit Solarzellen experimentiert oder vielleicht auch mit einem Nuklearwerk. Das ist aber nicht unser Forschungsgebiet, wir beziehen den Strom bloß. 

Ein ökologischer Kreislauf, der wenig Anbaufläche braucht, klingt auch für die Erde nach einem guten Konzept. 

Tatsächlich sind die Bestrebungen im Bereich Vertical Farming sehr ähnlich zu unseren. Das geht auf der Erde natürlich auch und wird auch schon gemacht. Es ist definitiv eine Zukunftstechnologie. Sie kann uns allen auch helfen, den Rückbau von der Landwirtschaft zu schaffen, so dass die Erde sich von den Strapazen erholen kann, die die Menschen ihr zugefügt haben. Wir sind natürlich sehr viel spezieller, weil wir beispielsweise Wasser aus der Luft filtern, da man auf dem Mars das Fenster nicht aufmachen kann.

Vertical Farming ist bisher eher eine Nische. Sehen Sie da Potenzial? 

Ich sehe da sogar sehr großes Potenzial. Wir könnten die ganze Menschheit davon großflächig ernähren, gar keine Frage. Gerade was die Massenproduktion angeht, sind einige Unternehmen schon sehr weit.

Woran scheitert es, dass eine Abteilung wie Ihre eine solche Lösung nicht schon heute auf die Straße oder den Mond bringt? 

Uns fehlt es an Forschungsgeldern, an Ausstattung und an Budget. Wir sind nur vier Personen im gesamten Team und eine Gastwissenschaftlerin von der NASA, die gerade in der Station in der Antarktis überwintert. Wir bräuchten aber mindestens 40 Personen. Da ist aber die Politik gefragt, noch mehr zu tun.

Sie selbst wollen das Projekt 2023 aufgeben. Liegt das auch am Geld? 

Wir geben nicht das Projekt auf, sondern nur unseren aktuellen Container. Der war bisher bloß umgebaut. Jetzt wollen wir ein komplett neues Konstrukt direkt an die Station anschließen.

Titelbild: DLR

Daniel Schubert

Der Diplomingenieur studierte mit den Schwerpunkten Luft- und Raumfahrt sowie Produktionstechnik an der Technischen Universität in Berlin. 2011 hat er die sogenannte "EDEN"-Gruppe am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum für Technologieuntersuchungen zu bioregenerativen Lebenserhaltungssystemen initiiert und leitet diese seither. Er ist ebenfalls Leiter des EDEN ISS Projekt, das das Gewächshaussystem in der Antarktis betreibt.

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