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  • 21.02.2022
  • Astrid Maier

Warum die Dinobabies am Arbeitsmarkt nicht so schnell verschwinden werden

Ältere Mitarbeiter:innen haben es am Arbeitsmarkt schwer. IBM wollte sie sogar „auslöschen“. Dabei können Unternehmen künftig gar nicht auf sie verzichten. Denn die Jungen wollen offenbar nicht mehr so wie früher.

Neulich habe ich einen Kaffee mit einem der angesagten Männer im deutschen Internet getrunken. Er sah ein wenig müde und erschöpft aus und sprach von seinen Plänen, sich zur Ruhe zu setzen. Nicht weil er eine Pause brauche. Er habe vielmehr Sorge, wegen seines Alters beim Thema Internet irgendwann nicht mehr ernst genommen zu werden.

Die Anekdote passt ins große Bild. Kaum eine Branche grenzt ältere Mitarbeiter:innen (mein Gesprächspartner gilt für deutsche Verhältnisse allerdings eher als mittelalt) so konsequent aus wie die Tech-Branche. China und das Silicon Valley sind dafür besonders berüchtigt. Vor wenigen Tagen hat nun auch IT-Veteran IBM in diesem Zusammenhang von sich reden gemacht. Interne Emails aus einem Gerichtsverfahren gelangten an die Öffentlichkeit, aus denen hervorgeht, dass in dem Konzern die Belegschaft offenbar radikal verjüngt werden sollte. Ältere Mitarbeiter:innen wurden von Führungskräften in den Dokumenten despektierlich als „Dinobabies“ bezeichnet.

Weiterbildung ist auch Aufgabe der Arbeitgeber


Die Dinobabies sind geboren, um zu bleiben. Gerade in einem Land wie Deutschland, in dem die Generation 40+ knapp die Hälfte der Bevölkerung und damit den Großteil aller arbeitenden Menschen ausmacht, wird kein Unternehmen ohne sie funktionsfähig bleiben. Vielmehr stellt sich die Frage: Wie kann es eigentlich sein, dass so viele ältere Menschen als untauglich gelten, am Arbeitsmarkt zu bestehen?

Da sind zum einen die Vorurteile und Stereotype, die in den Köpfen der Führungskräfte und in uns allen stecken. Wenn Jugend knapp wird, scheint sie umso begehrenswerter, auch am Arbeitsplatz. Da kann nur jede und jeder an sich selbst arbeiten, sich immer wieder auf die eigenen Vorurteile überprüfen. Zum anderen ist es in der Tat so, dass mancher der älteren Mitarbeiter:innen nicht mehr mitkommt mit dem Neuen. Das zu beheben ist auch die Aufgabe der Arbeitgeber.

Gerade in Deutschland hat das Thema Weiter- und Fortbildung hingegen seit Jahrzehnten den Charme einer Zwangseinweisung. Und so wird sie auch in unzähligen Organisationen behandelt. Mitarbeiter:innen wurden, noch vor Corona, in fensterlose Hotelkonferenzräume gelockt, mit schlechten Präsentationen bombardiert und mit abgestandenem Filterkaffe aus der Thermoskanne betankt. Und später wunderten sich alle, dass nichts hängen geblieben ist. Wer in seinem Unternehmen auch für die Zeit nach Corona kein besseres Konzept zur systematischen Weiter- und Fortbildung seiner Arbeitskräfte hat, der hat eigentlich schon verloren. Weiter- und Fortbildung muss endlich cool und begehrenswert werden, nicht als ein Makel gelten.

Wer soll die Arbeit erledigen, die die Jungen liegen lassen? 


Denn die Jungen stehen dem System „Durchlauferhitzer Arbeitswelt“ offenbar inzwischen skeptisch gegenüber, glaubt man aktuellen Studien. Nicht nur, dass sie im Vergleich zu älteren Generationen wenig motiviert sind, mehr zu leisten, als gerade reicht. Sie stehen sogar dem Kapitalismus zunehmend kritisch gegenüber. Wer soll also in ein paar Jahren all die Arbeit erledigen, die die Jungen liegen lassen?

Es ist Zeit, den Alten zuzuhören, zu verstehen, was sie brauchen – und von ihnen zu lernen. Der Streamingdienst Netflix etwa ist dafür bekannt, als eines der wenigen Unternehmen im Valley auch Ältere zu rekrutieren. Das erweitert den Erfahrungshorizont und belebt die Kultur. Es ist ja auch nicht Netflix, dessen Dienste die Demokratie weltweit gefährden. Wissen hat zudem ohnehin eine immer kürzere Halbwertszeit. Das gilt für Angehörige aller Altersgruppen. Reverse Mentoring, gemischte Teams machen den Unterschied.

IBM-Chef Arvind Krishna ist mit 60 Jahren übrigens auch nicht mehr der Jüngste. Ganz oben in den Chefetagen scheint es, als könne man gar nicht alt genug sein. Nicht alle Dinobabies sind also gleich. Hoffentlich merkt das auch mein Internet-Mann bald.

Titelbild: Kae Ng/Unsplash

Astrid Maier

Astrid Maier ist Chefredakteurin von XING News und langjährige Wirtschafts- und Tech-Journalistin. Vor ihrem Start bei XING war sie Chefreporterin für ada und leitete bei der Wirtschaftswoche die Ressorts Unternehmen & Märkte sowie Innovation & Digitales. Sie hat bei der Financial Times Deutschland das Handwerk Journalismus gelernt und später beim manager magazin über die globale Digital-Ökonomie berichtet. In ihrer Kolumne "Let's work it!" schreibt sie einmal im Monat über Ideen für eine neue Arbeitswelt.

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