Eine Reihe von Personalentscheidungen der Biden-Administration deuten darauf hin, dass die Regierung es ernst meint mit der Regulierung von Big Tech.
Der politische Druck auf die Tech-Giganten steigt. Und die Entscheider:innen in den Big-Tech-Führungsetagen werden unruhig. Das zeigen Anträge von Amazon und Facebook, in denen sie der neuen Leiterin der US-Handels- und Kartellbehörde FTC, Lina Khan, Befangenheit in Wettbewerbsfragen vorwerfen – was paradox anmutet, schließlich nominierte die Biden-Regierung die 32-jährige Juristin wohl gerade wegen ihrer kritischen Haltung und Expertise zur Marktmacht der großen Tech-Konzerne.
Seit Mitte Juni leitet Lina Kahn die FTC, verantwortlich für Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz. Die ehemalige Professorin für Kartellrecht an der Colombia University ist schon seit Jahren eine prominente Kritikerin der großen Tech-Konzerne. In ihrem breit diskutierten Paper „Amazon’s Antitrust Paradox“ argumentierte Kahn bereits zu ihren Studienzeiten, dass das bestehende Kartellrecht nicht gerüstet sei für die Form von Marktdominanz, die Amazon habe. Die New York Times nannte sie 2018 deshalb „Amazon’s Antitrust Antagonistin“.
Die Nominierung von Khan ist nur eine von zahlreichen, kürzlich getroffenen Personalentscheidungen der Biden-Administration, die allesamt andeuten: In Washington macht man ernst bei der Regulierung von Big Tech.
So ist Rashida Richardson seit Juli Chefberaterin im Wissenschafts- und Technologiebüro des Weißen Hauses (OSTP). Die Juristin ist seit Jahren eine prominente Stimme, wenn es um die Regulierung von Big Tech geht: Als Expertin für Diskriminierung durch Algorithmen ist Richardson beispielsweise in der viel beachteten Netflix-Doku The Social Dilemma zu sehen.
Zudem prüft die Biden Regierung derzeit Saule Omarova, Professorin für Bankrecht an der Cornell University Law School, als Kandidatin für die Leitung der obersten Bankenaufsichtsbehörde. In ihren Arbeiten kritisierte sie wiederholt, dass Banken verstärkt in das Geschäft mit Kryptowährungen einsteigen und sich so der traditionellen Regulierung und Überwachung durch die Aufsichtsbehörden entziehen würden. Von Omarova wird deshalb ein härterer Kurs in Bezug auf das Kryptogeschäft, aber auch mit bisher weitestgehend unregulierten Unternehmen aus dem FinTech-Bereich erwartet.
Ähnlich einzuschätzen ist die Nominierung von Ramin Toloui für den Posten des stellvertretenden Leiters des Bureau of Economic and Business Affairs im US-Außenministerium. Der Ökonom der Stanford University lehrte und forschte zu internationaler Wirtschaftspolitik, insbesondere zu Wirtschaftskrisen und dem ökonomischen Einfluss von künstlicher Intelligenz.
Die Nominierungen zeigen exemplarisch, dass der wenig regulative Kuschel-Kurs der US-Behörden der vergangenen Jahre mit der Präsidentschaft von Joe Biden tatsächlich ein jähes Ende gefunden haben dürfte.
Und wie sind wir in Europa personell aufgestellt? Zwar gehen die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton konsequent gegen die Marktmacht der US-amerikanischen Tech-Giganten vor, dahinter fehlt es aber an weiteren prominenten Stimmen aufseiten der EU. Vielleicht würden auch hier neue, kritische Köpfe aus Wissenschaft und Gesellschaft für frischen Wind sorgen – um die Tech-politische Vision eines wettbewerbsfähigen und zukunftsgewandten, zugleich aber auch fairen und pluralistischen Europas entschiedener voranzutreiben.
Titelbild: Lina Khan, die neue Leiterin der US-Wettbewerbsbehörde FTC. Quelle: Getty Images