Deutsch English
  • Deutsch English
  • Tech of Tomorrow
  • Morals & Machines
  • Burn to Learn
  • Think Tanks
  • Über uns
  • 20.01.2023
  • Miriam Meckel

KI: nächster Wettkampf der Giganten

Der Chatbot ChatGPT von OpenAI hat einen Hype entfacht. Auch andere Unternehmen drängen auf den Markt – es geht um Milliarden. Der nächste Wettkampf der Giganten findet erneut ohne die Europäer:innen statt.

Ewig grüßt das Murmeltier, und es heißt immer Europa. Mit Beginn des Jahres 2023 zeichnet sich ziemlich klar ab, wie das nächste große Wettrennen um die Nasenlänge voraus im technologischen Fortschritt aussehen wird. Europa wird es nicht sein. 

Das Spielfeld, auf dem dieses Rennen ausgetragen wird, ist die generative KI, also Systeme, wie ChatGPT. Der Chatbot von OpenAI hat mit Ende des vergangenen Jahres den Wandel von KI zu einer Grundlagentechnologie für die Allgemeinheit eingeläutet. Die wird uns Menschen zunehmend darin unterstützen, Texte zu schreiben, Bilder zu generieren, Kunst zu schaffen oder Software zu coden. Mehr und mehr wird sie im Zuge ihrer wachsenden Leistungsfähigkeit alleine übernehmen können. 

Noch lässt sich ChatGPT kostenfrei in der Betaversion ausprobieren, aber natürlich winkt hier der nächste Milliardenmarkt. OpenAI hat bereits eine Warteliste für Interessierte am Bezahldienst “ChatGPT Professional” geöffnet. Auch plant das Unternehmen, zu Beginn dieses Jahres das viel leistungsfähigere Modell GPT-4 zu veröffentlichen. Möglicherweise wird das der Schritt vom reinen Sprachmodell zum multimodalen Modell, das mit Bild, Text und Video arbeiten kann. Das wäre dann die nächste Bombe, gezündet in einem Markt, dessen Regeln gerade neu geschrieben werden.

Microsoft wettet offenkundig darauf, das Rennen zu gewinnen. Der Tech-Riese ist bereits kräftig in OpenAI investiert, plant nun aber, noch einmal zehn Milliarden Dollar auszugeben, um seinen Anteil damit auf 49 Prozent zu erhöhen. 75 Prozent aller Gewinne von OpenAI sollen an Microsoft gehen, so lange, bis das Investment wieder reingeholt ist. Das ist schon wirtschaftlich ein guter Schachzug. Strategisch noch viel mehr. Microsoft will ChatGPT offenbar in die bislang dümpelnde Suchmaschine Bing integrieren. Das ist eine Kriegserklärung an Google mit der Unterzeile: Wir erfinden die Internetsuche neu. Ganz so leicht wird das nicht, denn bislang glänzt ChatGPT nicht gerade mit verlässlichen Informationen. Der Chatbot spuckt mit großem Selbstbewusstsein wirres Zeug aus, zum Beispiel, dass Angela Merkel noch immer Bundeskanzlerin ist oder ein Löffel schneller läuft als ein Kaninchen. Bei der Internetsuche erwartet man korrekte Infos und Präzision. Aber mit den nächsten Versionen von ChatGPT kann sich das Spiel hier schnell ändern. Google hat derzeit einen Weltmarktanteil von knapp 85 Prozent, Bing einen von knapp neun Prozent - viel Kampfplatz für eine Suchmaschine, die plötzlich Suchen über Gespräche mit einem Bot neu erfindet. 

Tausende von App-Entwicklern arbeiten daran, die Künste des Bots für alltägliche Kommunikation zu nutzen. Parallel plant Microsoft, ChatGPT ins eigene Office-Paket zu integrieren. Texte, Emails und Präsentationen sind damit künftig ein paar Sprachaufforderungen entfernt. Bei einem fast hälftig ausgeteilten Weltmarktanteil von Microsoft und Google in der Bürosoftware wird das ein spannendes Rennen.

KI-Sprachmodelle: Europa hinkt hinterher


Denn natürlich schläft Google nicht. Das Unternehmen hat schon 2014 DeepMind übernommen, also den direkten Konkurrenten zu OpenAI. Der Forschungsableger ist längst profitabel und macht einen Milliardenumsatz. DeepMind hat mit “Gato” ein multimodales KI-Modell entwickelt, also einen Multitasker, der mit Text, Bild und Video umgehen und die verschiedensten Aufgaben lösen kann. Mit Sprachmodellen, wie LaMDA und PaLM, hat es zuletzt Schlagzeilen gemacht, und in diesem Jahr will das Unternehmen einen eigenen Chatbot namens “Sparrow” auf den Markt bringen.

Auch in China gibt es einige Firmen, die auf dem Markt mitspielen wollen. Das ist ein wenig komplizierter, weil die kulturellen Unterschiede der Trainingsdaten eine Auslieferung für den Weltmarkt erschweren und weil die chinesische Regierung generativen Systemen strenge Regeln auferlegt. Aber mit Baidu, Tencent und IDEA bieten drei wichtige Player KI-Modelle und -Anwendungen, die zeigen, dass China das Rennen nicht den USA überlassen wird. Auch Israel hat mit den AI21 Labs einen eigenen Player am Start. 

Und Europa? Da gibt es LEAM (Large European AI Models), eine Initiative europäischer KI-Organisationen, darunter der deutsche KI-Bundesrat, unterstützt von zahlreichen Unternehmen. Die Initiative soll die Entwicklung von großen Sprachmodellen in Europa voranbringen. Am 24. Januar wird sie dazu eine “Machbarkeitsstudie” vorlegen. 

LEAM ist übrigens ein Anagram zum englischen “lame” - übersetzt lahm. Während in anderen Teilen der Welt das Rennen um das Siegertreppchen läuft, ist das Murmeltier zumindest aufgewacht. Eine lahme Ente bleibt es trotzdem.

Miriam Meckel

Miriam Meckel ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von ada und Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, Schweiz. In dieser Kolumne schreibt sie alle zwei Wochen über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt bringen und unser Leben verbessern. Denn was die Raupe das Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt einen Schmetterling.

Diese Kolumne erscheint sowohl beim Handelsblatt als auch bei uns.

Das könnte dir auch gefallen

  • Kreative Zerstörung
  • 23.12.2022

Wettervorhersage für die menschliche Zivilisation

Mit KI-Systemen wie ChatGPT hat eine Revolution begonnen. In Zukunft werden die richtigen Fragen entscheidend sein, nicht die Antworten, meint Miriam Meckel 

  • Voice
  • 10.08.2021

„Du hörst dich aber nicht gut an“

Spracherkennungssysteme sollen Krankheiten wie Demenz oder Parkinson künftig an der menschlichen Stimme erkennen können – früher und präziser als Ärzt:innen.

  • Cybersecurity
  • 15.06.2021

„Heute hacke ich Paypal“

Damian Strobel ist Hacker, aber einer von den Guten. Firmen wie Google bezahlen ihn dafür, Lücken in ihren IT-Systemen aufzustöbern. Er weiß: Jedes Unternehmen ist verwundbar.

© 2022 ada
Impressum
Datenschutz