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  • 27.07.2021
  • Milena Merten

Impfskepsis: Die Rolle von Social Media?

Die Impfbereitschaft sinkt. Wenn es nach US-Präsident Joe Biden geht, trägt Facebook daran eine Mitschuld. Hat er Recht?

Die Hälfte der Bevölkerung ist inzwischen vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Nachfrage nach Impfungen sinkt. Zu groß ist der Anteil der Skeptiker:innen, die der Impfung nicht vertrauen.  

Das ist kein exklusiv deutsches Problem. Auch in den USA ist die Impfkampagne längst nicht so weit fortgeschritten, wie Präsident Joe Biden es geplant hatte. Und wenn es nach ihm geht, gibt es dafür Schuldige: die Social Media-Konzerne, allen voran Facebook. 

„They‘re killing people“, sagte er vergangene Woche, als er auf die Rolle von sozialen Netzwerken wie Facebook bei der Verbreitung von Desinformationen zum Coronavirus angesprochen wurde. Wenige Tage später relativierte er seine Aussage: Facebook töte niemanden, aber die zwölf Menschen, die Falschmeldungen auf der Plattform verbreiteten, stellte er klar. Er bezog sich dabei auf eine Untersuchung der internationalen Non-Profit-Organisation „Center for Countering Digital Hate”. Demnach sind gerade einmal zwölf Personen für zwei Drittel der Impfverschwörungen verantwortlich, die in den sozialen Netzwerken kursieren.  

Trotz der namentlichen Nennung dieser zwölf Personen ist die Mehrheit der „Disinformation Dozen“ weiterhin auf Facebook, Twitter, Youtube oder Telegram aktiv. Die Autor:innen des Tech-Newsletters FWIW untersuchten kürzlich alle impfstoffbezogenen Beiträge auf Facebook innerhalb der letzten vier Wochen. Das Ergebnis: Elf der Top 15 Beiträge enthielten Desinformationen oder sprachen sich gegen das Impfen aus.  

Nun könnte man meinen, dass nach all dem der Kampf gegen Desinformation für die Social-Media-Plattformen zur absoluten Priorität erklärt wird. Das allerdings würde voraussetzen, die eigene Rolle bei der Verbreitung von Desinformation anzuerkennen – und davon ist etwa Facebook-CEO Mark Zuckerberg nichts anzumerken. Im Gespräch mit dem Tech-Journalist Casey Newton erklärte er, seine Plattform habe einen großen Beitrag dazu geleistet, dass sich Millionen Menschen über das Virus informieren und Impfzentren in ihrer Nähe finden konnten. Insgesamt sei er „ziemlich stolz“ auf Facebooks „Netto-Wirkung“. Wenn er sich die Analysen ansehe, sei er zuversichtlich, dass das Netzwerk eine positive Rolle gespielt habe. 

Und genau hier liegt leider das Kernproblem: Die Analysen und vollständigen Daten, auf die sich Facebook und andere Social-Media-Plattformen bei der Bewertung ihrer Rolle stützen, sind nicht transparent. Facebook stellt mit CrowdTangle zwar ein Tool zur Verfügung, mit dem Journalist:innen und Forscher:innen öffentlich verfügbare Daten auf der Plattform analysieren können. Doch wie ein lesenswerter Beitrag in der New York Times kürzlich aufdeckte, diskutieren die Führungskräfte offenbar darüber, den Zugang zu CrowdTangle zu beschränken – Grund dafür ist die negative Berichterstattung, die mit der Transparenz einhergeht. 

Wie so oft scheint hier die Reputation dann doch ein wenig wichtiger zu sein als die Auseinandersetzung mit den realen Problemen. Und tatsächlich gibt es bislang kein Gesetz, das die Konzerne zur vollen Transparenz verpflichtet. Ihr Anteil an der grassierenden Impfskepsis lässt sich deshalb nicht seriös messen – er dürfte aber weitaus bedeutsamer sein, als es ihren PR-Teams lieb ist.

Titelbild: Robert F. Kennedy Junior, prominenter Vertreter der Impfgegner-Bewegung, bei einer Demonstration in Berlin im August 2020. Bild: Imago

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