Um Gemüse zu ernten, braucht man mittlerweile kein passendes Wetter mehr. Die richtigen Laborbedingungen genügen. Vorreiter beim Hightech-Gemüse sind Unternehmen aus Japan.
Spricht man Tomokazu Sezaki auf Gemüse an, dann erzählt der stämmige Herr mit graumeliertem Haar von LED- und Laserlicht. Die künstliche Photosynthese funktioniere schon sehr gut, sagt er. „Aber mit LED ist es noch nicht optimal. Unsere Ingenieure arbeiten gerade an neuen Lasern, die die Aufgaben viel besser erfüllen könnten.“ Während mit LED-Technologie nämlich nur 25 Prozent der eingesetzten Energie in Licht umgewandelt wird, verspricht man sich von Lasertechnik eine deutlich erhöhte Umwandlungseffizienz. „Und dann wird unsere Gemüsezucht einen großen Sprung nach vorn machen.“ In fünf Jahren könne das so weit sein.
Tomokazu Sezaki ist Vorsitzender von Vegenova, einem Spinoff des Multikonzerns Toshiba aus Tokio. In der Stadt Kazo, 40 Kilometer nördlich der japanischen Hauptstadt, laboriert der vor zwei Jahren gegründete Betrieb an einer Methode, die aus der landwirtschaftlichen Produktion den Zufallsfaktor ausradieren soll. „Wir haben erst mal mit Kopfsalat angefangen“, sagt Sezaki, „aber im Prinzip wollen wir alles mögliche Gemüse im Labor herstellen.“ Hier wächst das Grünzeug also unabhängig vom Sonnenlicht.
In Zeiten des Klimawandels könnte sich die Herstellung von Gemüse, das keine Felder unter freiem Himmel mehr benötigt, irgendwann als Rettungsanker herausstellen. Weltweit kam es zuletzt in bald jeder Saison zu verheerenden Ernteausfällen. Hier sind Dürren, dort Überschwemmungen. Die Vorhersehbarkeit von Witterungsbedingungen nimmt ab, Extremereignisse werden häufiger. Der Schaden des Klimawandels ist vor allem in ärmeren Ländern zu spüren, wo die Landwirtschaft zu den wichtigsten Sektoren zählt.
Bei Toshiba schickt man sich an, bald eine Lösung für dieses wachsende Problem zu haben. Die Idee dazu entstand Mitte des vergangenen Jahrzehnts, als der Konzern, der eigentlich eher für Atomkraftwerke, Chips, Kühlschränke und Klimaanlagen bekannt ist, nach einer neuen Verwendung für eine alte Diskettenfabrik im südlich von Tokio gelegenen Yokosuka suchte. Nachdem Disketten in den späten 1990er Jahren durch die nächste Generation von Speichermedien abgelöst worden waren, hatte das Betriebsgelände dort brachgelegen.
Gemüse aus der Diskettenfabrik
Eine multidisziplinär zusammengestellte Gruppe begann in den einst für die Diskettenproduktion benötigten Reinräumen Gemüse zu züchten. Das Knowhow aus diversen Geschäftsbereichen ermöglichte es, dass Toshiba mit gefiltertem Licht und der passenden Temperatur die Reifezeit stark reduzieren konnte. Während Kopfsalat auf dem Feld acht bis zwölf Wochen nach der Aussaat geerntet werden kann, reifte er im einstigen Diskettenlabor zuverlässig in 35 Tagen heran.
Zudem: Durch den keimfreien Raum war kein Einsatz von Pestiziden mehr nötig. So ist vorm Verzehr auch kein Waschen des Gemüses nötig, das zu einem frischen, kräftigen Geschmack führt. Als Toshiba aber 2015 von einem Bilanzierungsskandal heimgesucht wurde, trennte sich die Konzernführung von diversen Geschäftsfeldern. So machte auch die Gemüsefabrik von Yokosuka Ende 2016 wieder dicht.
„Mit dem damaligen Projekt haben wir nicht direkt etwas zu tun“, sagt Tomokazu Sezaki von Vegenova. „Personell gibt es keine Überschneidungen.“ Dass die Grundidee des neuen Laborgemüseherstellers aber eine sehr ähnliche ist, lässt sich nicht leugnen. In Kazo nördlich von Tokio ist es keine Diskettenfabrik, in der das Gemüse wächst, sondern eine Art Hightech-Gewächshaus. Durch Solarpanels und Windräder wird Energie gewonnen, die in die Photosynthese mittels LED-Lampen einfließt. Auf mehrgeschossigen Regalen sprießen in großen Hallen die Salatköpfe.
Seit Oktober wird der Salat in japanischen Supermärkten und Convenience Stores angeboten. Er schmeckt tatsächlich auffallend frisch und voll. Aber es muss noch einiges passieren, damit daraus ein rentables Geschäft wird. Mit Preisen von rund 200 Yen (rund 1,50 Euro) pro Kopf ist Vegenova in etwa doppelt so teuer wie Erzeugnisse aus der herkömmlichen Landwirtschaft. Große Hoffnungen auf einen möglichen Umstieg auf Lasertechnik macht man sich aber nicht nur beim Blick auf die Konkurrenz aus der traditionellen Landwirtschaft. An Hightechlösungen für den vielleicht ursprünglichsten Wirtschaftssektor der Menschheit arbeitet man nämlich längst nicht mehr nur im Hause Toshiba.
Der Konkurrent Panasonic, der einst durch Fernseher und Kühlschränke weltweit berühmt wurde, betreibt in Singapur eine 250 Quadratmeter große Farm, wo im Jahr 3,6 Tonnen Blattgemüse und Kräuter gefördert werden. Der Konzern Sharp baut unter Hightechbedingungen in Dubai Früchte an. Auch Fujitsu, bekannt vor allem für seine Halbleiter und IT-Produkte, stellt auf einem ehemaligen Fabrikgelände Gemüse her.
Ob solche Lösungen langfristig eher Segen oder Fluch sind, wird wohl davon abhängen, wo man nachfragt. Ein neues Wachstumsgeschäft wird das Gemüsehightech wohl in Japan werden. In ärmeren Ländern, wo ein Großteil der Bevölkerung von traditioneller Landwirtschaft abhängt, könnten dagegen lebenswichtige Einnahmequellen verloren gehen. Außerdem ist ungewiss, wie klimaschonend die neuen Technologien sein werden. Denn auch wenn Gemüsefarmen mit erneuerbaren Energien betrieben werden, dürfte Energie selbst zunehmend zur knappen Ware werden, mit der man sparsam umgehen muss.
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