In diesem Brief aus der Zukunft geht es um Suchmaschinen und Sprachmodelle // Unvoreingenommene Websuchen // Trügerische Empfehlungsalgorithmen.
Als Google sich 2021 gegen eine EU-Kartellrechtsstrafe wehrte, verwendete das Unternehmen eine interessante Argumentation. Selbst wenn Googles Android-Betriebssystem und die eigene Suchmaschine eng verbunden seien (zu eng, aus Sicht der EU), würden Nutzer:innen sich auch aus freien Stücken immer für die Google-Suche entscheiden. Beweisstück A, vorgelegt von Googles Anwalt Alfonso Lamadrid: Die Nummer eins der Suchanfragen beim Suchmaschinen-Konkurrenten Bing sei "Google".
Ein Nebeneffekt des Gerichtsverfahrens war damit der Imageschaden für Bing. Auch wenn es nicht viel Image gab, dem man hätte schaden können, denn Bing fristet schon lange ein Nischendasein. Umso erstaunlicher, dass Bing nun im Zusammenhang mit ChatGPT erwähnt wird, dem vielleicht meistgehypten Chatbot der jüngeren Internetgeschichte. Schon seit längerer Zeit – länger jedenfalls als viele KI-Hype-Zyklen – steht die Frage im Raum, ob sich Sprachmodelle wie ChatGPT auch als Suchmaschine verwenden ließen. Um Texte zu generieren, die aktuell sind und auf Quellen verweisen, aber auch, weil die Google-Suche inzwischen einem Blättern in Werbeprospekten gleicht. Ab März, heißt es, werde Bing offiziell Verstärkung von ChatGPT bekommen – und sich damit Microsofts milliardenschweres Investment in den ChatGPT-Entwickler OpenAI endlich auszahlen.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass Suchmaschinen und Sprachmodelle ganz anders funktionieren. Suchmaschinen ziehen aus einem Index von Webseiten Treffer und ranken sie nach Relevanz. Dabei werden sie bereits von KI unterstützt, um Sucheingaben und Treffer besser zu interpretieren. Doch in Sprachmodellen wie ChatGPT selbst geht die Verbindung zwischen dem neu generierten Text und seinen Quellen verloren, was keine gute Voraussetzung für eine Verwendung als Suchmaschine ist. 2021 legten vier Google-Mitarbeitende dar, wie sich mit Sprachmodellen eine ganz neue Art der Suche gestalten ließe, wiesen aber auch auf große Herausforderungen hin: ökonomische, ökologische, und die Tatsache, dass Sprachmodelle so schnell nichts vergessen. Suchmaschineneinträge dagegen müssen gelöscht werden können.
Einige Anbieter lassen sich von solchen Bedenken nicht abhalten. Perplexity zum Beispiel versucht bereits, Bing mit OpenAIs Sprachmodellen zu kombinieren. In Perplexitys Feedback-Kanal beim Messengerdienst Discord fragte im Dezember jemand, ob Perplexity nicht lediglich die ersten vier Bing-Suchergebnisse grob zusammenfasse. Die Antwort: Nun ja, etwas komplexer sei es schon, aber grundsätzlich sei das nicht ganz falsch. Das ist jetzt einen Monat her, eine lange Zeit im KI-Universum. Nicht ausgeschlossen also, dass seitdem viel passiert ist – nicht ausgeschlossen, dass Bing doch noch einmal ganz groß rauskommt.
von Lea Beiermann
Personal Growth
Wie du möglichst unvoreingenommen das Web durchsuchst
Menschen neigen dazu, Informationen zu bevorzugen, die ihr Weltbild bestätigen. "Confirmation Bias" heißt dieses Phänomen in der Kognitionspsychologie, das uns seit jeher auch im Digitalen begleitet: Die Algorithmen klassischer Suchmaschinen sind so programmiert, dass sie den Suchenden schnellstmöglich diejenigen Informationen präsentieren, die sie möchten. Das kann die Ergebnisse durchaus verzerren. Hier sind ein paar Tipps, mit denen du möglichst neutral durch den Informationsdschungel des Internets navigierst:
1. Suche intentional: Überlege dir vorher bewusst, welche Anforderungen ein hilfreiches Suchergebnis für dich erfüllen muss. So kommst du weniger in Versuchung, auf den allerersten Treffer zu klicken und weniger krediblen Quellen übermäßig viel Relevanz beizumessen.
2. Stelle keine Suggestivfragen: Versuche Begriffe und Fragestellungen zu vermeiden, die bereits eine gewisse Antwort implizieren. Am besten verzichtest du auf die Formulierung ganzer Fragen, sondern beschränkst dich auf präzise Stichwortsuchen.
3. Vermeide problematische und kulturell aufgeladene Begriffe: Verwende keine Stichworte, die kulturell oder politisch bereits in eine bestimmte Richtung weisen – wie es beispielsweise bei dem Begriff "Sozialtourismus" der Fall ist.
4. Verfeinere deine Suche schrittweise: Sei bereit, deine Suchanfragen iterativ anzupassen. Halte in den Treffern Ausschau nach präziseren Stichworten und Formulierungen, mit denen du zielgenauer weitersuchen kannst.
von Finn Blug
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Empfehlungsalgorithmen sagen uns, wo es die beste Pizza gibt, welche Serie wir als nächstes schauen und wen wir daten sollten. Doch ihre Vorschläge sind mit Vorsicht zu genießen.
von Christoph Drösser
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