Emmanuel Macron fordert mehr europäische Tech-Start-ups. Doch Quantität sollte nicht der einzige Maßstab sein.
Der französische Präsident wünscht sich mehr europäische Tech-Riesen. Bis 2030 wolle er in Europa zehn Tech-Unternehmen mit einer Bewertung von jeweils 100 Milliarden Euro sehen, sagte Emmanuel Macron am vergangenen Dienstag vor führenden Köpfen der europäischen Start-up-Szene in Paris. Bislang gibt es gerade einmal drei Unternehmen, die auf diese Definition passen: der niederländische Halbleiter-Hersteller ASML, der Softwarekonzern SAP und die Deutsche Telekom.
Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, brauche es mehr europäische Einhörner, so Macron – also Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als einer Milliarde Euro. Viele Gründer:innen und Investor:innen bejubelten den Vorstoß des französischen Präsidenten und unterschrieben ein „Manifest“, das die von Macron gestartete Initiative „Scale-Up Europe“ veröffentlichte.
Darin arbeiten die Autor:innen verschiedene Faktoren heraus, die Europa derzeit im Vergleich zu den USA schlechter stellen – etwa die allseits bekannte Knappheit an Wagniskapital für Tech-Gründungen oder die ausbaufähige Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Konzernen. Auch der vieldiskutierte Kampf um Talente wird thematisiert. Dazu schreiben die Verfasser:innen diesen bemerkenswerten Satz: „Europäische Startups […] sind nicht ausreichend offen für Diversität."
Eine Beobachtung, die sich schwer von der Hand weisen lässt: Im vergangenen Jahr gingen 85 Prozent aller Start-up-Investitionen in Europa an ausschließlich männliche Gründerteams. Blickt man auf deutsche Jungunternehmen, ergibt sich ein noch homogeneres Bild: Einer gerade erschienenen Studie der Allbright-Stiftung zufolge heißt der klassische deutsche Gründer Christian, ist 48 Jahre alt und hat in Westdeutschland BWL studiert. Für den Bericht analysierten die Autor:innen 30 Jungunternehmen, die kürzlich an die Börse gegangen sind und kamen zu dem Schluss: Die Führungsebenen sind sogar noch gleichtöniger als in den großen Dax-Konzernen. Mit Ausnahme von zwei Unternehmen sind alle Vorstände ausschließlich mit Männern besetzt.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Deutschland und Europa eigentlich den vielbeschworenen europäischen Weg einschlagen oder einfach nur die Silicon-Valley-Versionen von Einhörnern kopieren wollen. Denn in den dortigen Tech-Gründerzentren dominiert ein ähnliches Muster: Gleichgesinnte Männerteams erfinden Produkte und beeindrucken damit die (meist ebenfalls männlichen) Kapitalgeber. Unterrepräsentierte Gruppen haben es im Vergleich weitaus schwerer, Unterstützer:innen für ihre Ideen zu finden.
Die Forderung nach mehr Einhörnern und europäischen Tech-Riesen ist zwar berechtigt. Doch die Diskussion sollte sich nicht nur um die besten Bedingungen für schnelles Wachstum drehen, sondern auch um die Frage, welche Art von Unternehmen Europa eigentlich haben und fördern möchte. Mehr vom Gleichen wird der Innovationskraft des Standorts wenig zuträglich sein.