Youtube verstärkt den Kampf gegen impfbezogene Fehlinformationen. Das ist aller Ehren wert, kommt aber sehr spät – und offenbart falsche Beweggründe.
Youtube löschte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 130.000 Videos, die gegen die unternehmenseigene Covid-Richtlinie verstoßen hatten. Nun weitet die Videoplattform ihr strenges Vorgehen auf jegliche Form von impfbezogenen Fehlinformationen aus, wie das Unternehmen in dieser Woche in einem Blogpost ankündigte.
„Insbesondere werden Inhalte entfernt, die fälschlicherweise behaupten, dass zugelassene Impfstoffe gefährlich sind und chronische Gesundheitsschäden verursachen“ heißt es in der Mitteilung. Das umfasse auch Behauptungen, „dass Impfstoffe die Übertragung oder Ansteckung von Krankheiten nicht verringern, oder Falschinformationen über die (…) enthaltenen Substanzen beinhalten“. Zugleich sperrte die Google-Tochter Youtube reichweitenstarke Accounts prominenter US-amerikanischer Impfgegner, wie Robert F. Kennedy Jr. und Joseph Mercola.
Und auch in Deutschland hat die neue Unternehmenspolitik direkte Konsequenzen: Die Videoplattform sperrte zwei deutschsprachige Kanäle des russischen Staatssenders RT DE. Der Sender hatte versucht, die Blockade einzelner Videos zu umgehen, indem es diese auf einem neuen Kanal veröffentlichte. Daraufhin drohte die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor ihrerseits mit einer Sperre von Youtube in Russland. Die RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan sprach gar von einem „Medienkrieg“ gegen Russland.
Dass Youtube bisher gegen Verstöße in Bezug auf Covid19-Impfstoffe vorgegangen ist, ohne übergeordnete Falschinformationen zu Impfungen im Allgemeinen zu bekämpfen, mutet durchaus paradox an – und steht sinnbildlich für die Oberflächlichkeit, mit der man strukturelle Probleme bis jetzt angegangen ist. Schließlich ist die Plattform bereits im Laufe des vergangenen Jahres zu einem Sammelbecken für Impfgegner:innen geworden.
Hinzu kommt, dass der Youtube-Algorithmus dazu neigt, fragwürdige Inhalte besonders gerne weiterzuempfehlen, wie eine Studie der Mozilla Foundation schon im Sommer eindrücklich aufzeigte. Damit offenbart die späte Reaktion eine gewisse Willkür der Plattformbetreiber im Umgang mit problematischen Inhalten – mögen ihre Absichten im Einzelfall noch so gut sein.
Anknüpfend daran könnte man fragen: Würde der Umgang der Videoplattform mit Falschinformationen genauso ausfallen, befände man sich unter einer erneuten Trump-Administration oder gäbe es keinen Druck der EU-Kommission? Falls nicht, sind die Bemühungen am Ende des Tages nämlich nicht mehr als jener Opportunismus, mit dem sich Big Tech seit Jahren wegduckt, wenn es darum geht, tatsächlich Verantwortung zu übernehmen – für die Schlangengrube Internet, die man lange Zeit eigenhändig angefüttert hat.
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Titelbild: Olga Serantju/Unsplash