Was sagen die Parteien im Bundestag über die Förderung von Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz, diskriminierungsfreie Algorithmen, automatische Gesichtserkennung, automatisierte Waffensysteme und die Nutzung sowie den Schutz von Daten? Findet es heraus in unserem KI-Wahlcheck.
Wir befinden uns im Endspurt des Wahlkampfs der unterrepräsentierten Themen: Marodes Gesundheitssystem, Außenpolitik in einer fragiler werdenden Weltordnung, Europäische Zusammenarbeit, die richtigen Klimaschutzinstrumente – all diese Herausforderungen bekamen nicht die ihrer Relevanz entsprechende Aufmerksamkeit.
Diese Beobachtung trifft auch auf Tech-Themen zu: Biotech, Quantencomputing, Raumfahrt, künstliche Intelligenz – ein gesellschaftlicher und politischer Diskurs über Chancen und Risiken der Entwicklungen in diesen Bereichen blieb im Wahlkampf bislang weitestgehend aus. Um dem etwas entgegenzusetzen, haben wir die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien zumindest bezüglich eines dieser Themen geprüft: Wie positionieren sich Union, SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke zu den Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz?
Wie wollen die Parteien Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz fördern?
Die Grünen wollen Forschung und die Bildung von Forschungsclustern im Bereich der künstlichen Intelligenz finanzieren. Zur Förderung von Technologie-Start-ups, unter anderem im Bereich der künstlichen Intelligenz, schlagen sie einen staatlichen Wagniskapitalfonds vor. Im Gegensatz zu bereits bestehenden Fonds sollen dabei nachhaltige Kriterien entscheidend für die Unterstützung von Gründer:innen sein: „Die Mission des Zukunftsfonds ist Nachhaltigkeit“.
Die Union verweist in ihrem Wahlprogramm auf die bereits bestehende nationale KI-Strategie der Bundesregierung und möchte diese weiterführen. Die nationale KI-Strategie beinhaltet beispielsweise die Förderung von Forschung zur Steigerung von Rechenleistungen, die Einrichtung von KI-Professuren und das Voranbringen der Anwendung von künstlicher Intelligenz in mittelständischen Unternehmen mithilfe sogenannter KI-Lotsen. Übrigens: Im Rahmen der nationalen KI-Strategie hätten ursprünglich 500 Millionen Euro pro Jahr in künstliche Intelligenz investiert werden sollen. 2020 wurden dann doch nur 215 Millionen dafür veranschlagt. Von diesen 215 Millionen wurden wiederum schließlich nur 137 Millionen von den Ministerien abgerufen.
Die FDP hingegen schlägt deregulierte „digitale Freiheitszonen“ vor. Innerhalb dieser Zonen soll Forschung gefördert werden und weniger Bürokratie herrschen, um Gründungen zu erleichtern. Außerdem will die FDP Zulassungs- und Testverfahren vereinfachen, um Innovationen zu fördern. Zusätzlich soll, wenn es nach den Freien Demokrat:innen geht, eine „KI-Roadmap für künstliche Intelligenz“ Entwicklungen in dem Bereich voranbringen. „Jedes Ministerium soll bis 2025 zehn konkrete KI-Anwendungsfälle in seiner fachlichen Zuständigkeit identifizieren und umsetzen“, steht im Wahlprogramm. Schließlich fordert die Partei von Christian Lindner einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Im Wahlprogramm der AfD steht wenig über die Förderung von künstlicher Intelligenz, lediglich, dass sie „die Kompetenzen im Bereich KI in der Bundesrepublik besser bündeln und nationale Kooperationen stärker fördern“ möchte. Auch die SPD möchte künstliche Intelligenz fördern, macht dazu allerdings keine konkreten Vorschläge. Im Wahlprogramm der Linken steht über die staatliche Förderung von Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz nichts.
Was sagen die Parteien über transparente und diskriminierungsfreie Algorithmen?
Alle Parteien außer der AfD und der FDP fordern in ihren Wahlprogrammen diskriminierungsfreie Algorithmen. SPD, Grüne und Linke wollen zusätzlich, dass Algorithmen transparent gemacht werden sowie eine unabhängige Überprüfung der Diskriminierungsfreiheit von Algorithmen. Die Grünen möchten zu diesem Zweck einheitliche europäische Regeln zum Datenschutz, zum Arbeitsrecht und zur Datenqualität festlegen, das Gleichbehandlungsgesetz verändern und öffentliche Behörden besser schulen und ausstatten. Die Linken setzen sich für mehr globale Kooperation ein, um Datenschutz und Transparenz sicherzustellen. Für die CDU sind diskriminierungsfreie Algorithmen primär ein Standortvorteil für Unternehmen und ein Schritt hin zu digitaler Souveränität.
Wie stehen die Parteien zum Einsatz von automatisierter Gesichtserkennung?
Grüne und Linke lehnen den Einsatz von automatisierter Gesichtserkennung sowie den Export von Überwachungsinstrumenten ab. Im Speziellen fordern die Grünen ein Verbot der Ausfuhr von biometrischen Gesichtserkennungssystemen. Im Wahlprogramm der SPD steht nichts Eindeutiges zum Thema. Allerdings ist die Antwort der Partei auf die entsprechende Wahl-O-Mat-Frage: „Die Kopplung mit einer Gesichtserkennung lehnen wir (…) ab. Sie ist ein gefährlicher Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen. Wir wollen deshalb grundsätzlich sicherstellen, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz niemals unserem freiheitlich-demokratischen Grundverständnis zuwiderläuft."
Die FDP positioniert sich ambivalent: Obwohl sie im Wahl-O-Mat automatisierte Gesichtserkennung ablehnt, steht in ihrem Wahlprogramm, dass eine „intelligente Videoüberwachung an Kriminalitätsstützpunkten (…) eine sinnvolle Ergänzung zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr“ sein könne. CDU und AfD sprechen sich klar für den Einsatz von automatisierter Gesichtserkennungssoftware aus. Im Wahlprogramm der CDU steht: „Um die Fahndung nach schweren Straftätern, Gefährdern und Terroristen zu verbessern, wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die automatisierte Gesichtserkennung an Gefahrenorten in Deutschland eingesetzt werden kann.“ Die AfD möchte automatische Gesichtserkennung nicht nur an Gefahrenorten, sondern auch an der deutschen Grenze einsetzen. Allerdings schreibt die AfD in ihrem Wahlprogramm auch, sie sei „gegen jeglichen Missbrauch digitaler Techniken, die zur Überwachung oder Bevormundung von Bürgern und Unternehmen führen.“
Wie positionieren sich die Parteien zu autonomen Waffensystemen?
FDP und AfD treffen über autonome Waffensysteme keine Aussagen in ihren Wahlprogrammen. Die Linke ist für ein Verbot des Einsatzes autonomer Waffensysteme. Auch ihren Export will die Partei verbieten. SPD und Union sprechen sich für eine internationale Ächtung solcher Waffensysteme aus. Prinzipiell wollen die Grünen autonome Waffensysteme lediglich regulieren, aber „Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen, international verbindlich ächten und verbieten“.
Künstliche Intelligenz funktioniert mit Daten – Wie wollen die Parteien sie nutzen und schützen?
Die SPD spricht sich für öffentliche Datentreuhänder aus. Ein Datentreuhänder ist eine Instanz zwischen datenerzeugenden Personen und datenverarbeitenden Dienstleistern und soll die Wahrung des Datenschutzes gewährleisten. Beispielsweise kann ein Datentreuhänder personenbezogene Daten vor der Weitergabe pseudonymisieren. Weiterhin fordern die Sozialdemokrat:innen, „dass die großen Konzerne ihre Daten für gemeinwohlorientierte Ziele teilen müssen“. Die SPD schlägt auch vor, einen geregelten Zugang zu offenen, nicht personenbeziehbaren Daten aus staatlichen Beständen zu ermöglichen, „auch für neue technologische Anwendungen“. Zudem möchten die Sozialdemokrat:innen Anonymisierungstechniken fördern.
Als „Schlüsselressource der digitalen Welt, insbesondere für Anwendungen der künstlichen Intelligenz“ wollen die Grünen eine freiwillige Nutzung von nicht personenbezogenen Daten und von anonymisierten personenbezogenen Daten ermöglichen. Zu diesem Zweck schlägt die Partei kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle wie Datengenossenschaften vor. Auch möchte die Partei ein öffentliches Dateninstitut mit einem gesetzlichen Forschungsauftrag einrichten. Zusätzlich sind die Grünen für einheitliche europäische Datenschutzregeln und eine europäische Cloud-Infrastruktur auf der Basis von Open-Source-Technologien. Staatliche Bestände von nicht personenbeziehbaren Daten möchten die Grünen genau wie die SPD der Öffentlichkeit zugänglich machen.
„Die Interessen von Nutzer:innen und Beschäftigten am Schutz ihrer Daten und Persönlichkeitsrechte bei der Nutzung digitaler Systeme müssen gegenüber dem Interesse von Unternehmen, durch Aus- und Verwertung möglichst großer Datenmengen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, verteidigt werden“, schreiben die Linken in ihrem Wahlprogramm. Deshalb sollen Nutzer:innen von digitalen Angeboten die Möglichkeit bekommen, zu verweigern, dass ihre Daten weiterverarbeitet werden. Auch fordern die Linken, dass Plattform-Monopole ihre Daten mit der Konkurrenz teilen müssen. Schließlich wünschen sich die Linken globale Kooperation, um allgemeinverbindliche Datenschutzregeln für künstliche Intelligenz auszuarbeiten.
Wenn es nach der FDP geht, sollen personenbezogene Daten nur nach Zustimmung verarbeitet werden dürfen, außerdem fordern die Freien Demokrat:innen ein Recht auf Verschlüsselung. Zusätzlich möchte die FDP einheitliche europäische Regulierungen zum Datenschutz. Unternehmen sollen aber nicht dazu verpflichtet werden, Daten zu teilen, „denn auch die Kosten der Sammlung und Aufbereitung nicht-personenbezogener Daten müssen sich amortisieren können“.
Im Wahlprogramm der Union steht: „Eine übertriebene Auslegung von Datenschutzanforderungen darf nicht dazu führen, Innovationen zu hemmen und Verfahren bürokratisch zu verlangsamen.“ Sie fordert einheitliche europäische Datenschutzregeln und die Datenschutzaufsicht in Deutschland zu harmonisieren.
Als einzige Partei im Bundestag möchte die AfD die Datenschutzgrundverordnung abschaffen und ein neues, verschlanktes Datenschutzgesetz schaffen. Dennoch sollen „Einwilligungen zur Datenverarbeitung (…) jederzeit und wirksam widerrufbar sein.“
Titelbild: Element5 Digital/Unsplash