Hannah Smith arbeitet an der Schnittstelle zwischen Technologie und Klimalösungen. Im Interview erklärt sie, worauf es bei nachhaltiger Digitalisierung ankommt und wie digitale Technologien uns auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen können.
Die Non-Profit-Organisation The Green Web Foundation entwickelt digitale Werkzeuge und bietet Weiterbildungen an, um den Übergang zum klimaneutralen Internet zu beschleunigen. Als Operations and Training Manager der Green Web Foundation hilft Hannah Smith Einzelpersonen und Unternehmen dabei zu verstehen, wie sie Emissionen reduzieren können - und wie digitale Tools dabei helfen.
Hannah, welche Rolle spielt Technologie auf unserem Weg zur Klimaneutralität?
Digitale Technologien helfen uns einerseits, Dinge besser, schneller und effizienter zu erledigen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Nutzung dieser Technologien ihren Preis hat. Wir von der Green Web Foundation betrachten das Internet als die größte kohlebetriebene Maschine der Welt. Damit meinen wir, dass das Internet selbst erhebliche Mengen an Kohlenstoffemissionen verursacht. Wir müssen deshalb darüber nachdenken, wie wir diese Emissionen reduzieren können. Auch wenn wir durch das Internet viele Dinge fantastisch gut und besser machen können, müssen wir auch die andere Seite berücksichtigen, die negativen Folgen.
Haben wir uns bisher zu wenig mit möglichen negativen Folgen beschäftigt?
Ich glaube, viele von uns sind der Vorstellung erlegen, dass digitale Technologie in einer Wolke existiert, irgendwo herumfliegt, irgendwo anders ist. Aber die Realität ist, dass auch digitale Technologie physisch vorhanden ist. Wir müssen Server irgendwo unterbringen – sie schweben nicht in einer fluffigen Wolke. Es sind Rechenzentren in großen Lagerhallen mit Regalen voll Servern, Tausenden von Servern, die Energie verbrauchen. Die Tech-Industrie hat es geschafft, das alles aus unserem Alltag zu entfernen. Auf der einen Seite ist das eine fantastische Leistung, aber wir verstehen nicht mehr wirklich, dass all das, was wir auf unseren Bildschirmen sehen, gleichzeitig irgendwo anders reale Auswirkungen hat.
Es heißt: “You can’t manage what you don’t measure.” Wie sollte ein Unternehmen vorgehen, das seinen digitalen CO₂-Fußabdruck zunächst überhaupt einmal berechnen will?
Ich rate immer dazu, sich nicht zu sehr darauf zu fixieren, perfekte Berechnungen zu erstellen. Ich bin Ingenieurin, mein Hintergrund ist Informatik und ich liebe ein gutes Datenproblem. Ich weiß also, dass es leicht ist, in diese Falle zu tappen und Schätzungen perfektionieren zu wollen, aber dabei vergisst man schnell das Gesamtbild. Wichtig ist, den Umfang von Emissionen jeweils grob zu kennen und zu wissen, ob es sich lohnt, mehr Zeit darauf zu verwenden, sie zu reduzieren.
Wie lassen sich Emissionen dann konkret reduzieren?
Viele Unternehmen denken sofort daran, bei der Nutzung digitaler Anwendungen anzusetzen, doch häufig hat der Einkauf von Geräten – Smartphones, Laptops, Servern – einen größeren Einfluss auf das Ganze als die Nutzung digitaler Dienste. Es sei denn, es handelt sich um eine große Organisation, in der diese Dienste wirklich stark genutzt werden. Außerdem gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Menge an Daten, die ein Unternehmen erzeugt und speichert, und der Energiemenge, die allein für die Existenz dieser Daten benötigt wird. Ein Unternehmen sollte sich also überlegen, wie es seinen digitalen Abfall reduziert. Stell dir einfach vor, dass dein Unternehmen all seine digitalen Daten ausgedruckt hat und sie in einem Schrank aufbewahrt. Irgendwann ist es an der Zeit, den Schrank zu öffnen und aufzuräumen. Digitalen Müll kann man zwar nicht anfassen, aber er ist, wie gesagt, sehr, sehr real.
Kann auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz uns dabei helfen, Klimaziele im Unternehmen zu erreichen?
KI an sich ist weder nachhaltig noch schädlich. Sie verbraucht zwar eine Menge Energie, aber viel wichtiger ist die Frage, wofür KI eingesetzt wird und wer sie kontrolliert. Wenn KI mit den falschen Daten oder den falschen Absichten trainiert wird, erhält man falsche Antworten. KI kann sehr nützlich sein, wenn sie darauf trainiert ist, bestehende Systeme zu optimieren und effizienter zu gestalten, etwa um Lieferungen auf eine möglichst klimafreundliche Weise zu verteilen. Aber vielleicht muss die KI erst darauf trainiert werden, „klimafreundlich“ auf eine andere Art und Weise zu verstehen, damit sie auch alternative Modelle wie den Fuß- oder Fahrradverkehr vorschlägt.
Kannst du konkrete Tools empfehlen, die dabei helfen, Emissionen im Unternehmen zu berechnen und zu reduzieren?
Es gibt viele Open-Source-Tools, die man dafür nutzen kann. Nur weil sie Open-Source und kostenlos sind, heißt das nicht, dass sie nicht fantastisch sind, denn das sind sie in der Regel! Wenn ein Unternehmen zum Beispiel die Kohlenstoffemissionen seiner Cloud abzuschätzen will, würde ich Cloud Carbon Footprint empfehlen, ein Open-Source-Tool, das direkt mit den Abrechnungsdaten des Cloud-Anbieters verknüpft ist – eine clevere Methode, um Emissionen zu schätzen. Wir von der Green Web Foundation bieten auch selbst Tools an, außerdem Schulungen und Beratung, wenn ein Tech-Team sein Wissen im Bereich Nachhaltigkeit erweitern will. Diese Optionen wahrzunehmen ist gleichzeitig eine gute Möglichkeit, die Arbeit unserer Organisation zu unterstützen.
Können wir auch außerhalb unseres Unternehmens etwas dafür tun, Digitalisierung nachhaltiger zu gestalten?
Einen großen Unterschied macht es schon, wenn wir unsere Geräte länger nutzen. Das nachhaltigste Gerät ist das, das man bereits besitzt. In Industrieländern werden wir ständig dazu angehalten, unser Handy alle zwei Jahre zu wechseln. Stattdessen sollten wir es lieber noch weitere ein oder zwei Jahre benutzen. Bei der Produktion eines neuen Smartphones entstehen etwa 60 Kilogramm CO₂ und bei einem Laptop sind es etwa 600 Kilogramm. Und hier reden wir nur über die CO₂-Emissionen, nicht über die Auswirkungen des Abbaus der Rohstoffe, die dann in das Gerät eingebaut werden. Ein paar weitere praktische Dinge, die man tun kann: Hin und wieder alte Videos und Fotos löschen, Geräte komplett ausschalten, statt sie im Standby-Modus zu betreiben, außerdem auch die Autoplay-Funktion in sozialen Netzwerken ausschalten.
Wir können also schon viel damit bewirken, uns anders zu verhalten. Aber haben wir als Verbraucher:innen auch Einfluss auf die Unternehmen, die uns alle zwei Jahre ein neues Smartphone verkaufen wollen?
Als Verbraucher:innen können wir den Tech-Unternehmen Fragen stellen: „Was macht ihr da genau? Wo befindet sich dieses Rechenzentrum? Mit welcher Energie wird es betrieben? Was unternehmt ihr gegen das Problem X, Y, Z?“ Die großen Tech-Firmen verdienen eine Menge Geld und haben die nötigen Mittel, um sich mit diesen Problemen zu beschäftigen und solche Fragen zu beantworten. Ich glaube schon, dass wir etwas bewirken können, indem wir ein bisschen Druck auf diese Unternehmen ausüben. Sie wollen, dass ihre Kund:innen bei ihnen bleiben, denn sie verdienen eine Menge Geld mit uns. Also sollten wir Fragen stellen, denn das bringt die Menschen in den Unternehmen dazu, etwas mehr darüber nachzudenken, was sie tun, und zwar dort, wo man wirklich Einfluss ausüben kann.