In diesem Brief aus der Zukunft geht es um GPT-4 // Assistive Computing // Shift Happens #9.
Wenn die Futuristin Amy Webb auf der South By Southwest (SXSW) alljährlich ihren Tech Trends Report vorstellt, dann spitzen nicht nur die Teilnehmenden des legendären Tech- und Kreativfestivals im texanischen Austin die Ohren. Der Bericht ist schon länger eine renommierte Ressource für zu erwartende technologische Entwicklungen und ihre Implikationen. Die Adressat:innen des Berichts sind ein ähnlich bunter Haufen wie das Publikum der SXSW: Menschen aus der Techindustrie, der Kreativbranche, dem Wissenschaftsbetrieb, der Politik oder der Investmentbranche. Und in diesen Tagen kennt der bunte Haufen nur ein Thema: Anwendungen generativer Künstlicher Intelligenz.
Das weiß auch Amy Webb und widmete dem aktuellen Hypethema einen Großteil ihrer Bühnenzeit in Austin. In ihrer knapp einstündigen Keynote zeigte sie unter anderem auf, wie solche Tools in nur wenigen Jahren in nahezu alle relevante Wirtschaftsbereiche Einzug halten werden. Während die 2010er Jahre von sensorischer, also wahrnehmender Künstlicher Intelligenz geprägt gewesen seien, werden die 2020er bekannt sein für generative KI, so Webb. Wie dramatisch dieser Wandel derzeit voranschreitet, zeigt die Vorstellung von OpenAI’s GPT-4 in dieser Woche. Es ist die Weiterentwicklung von jenem KI-Sprachmodell, das die Basis für ChatGPT bildete und verspricht nicht weniger als einen Quantensprung im Bereich generativer KI – auch wenn es weiterhin falsche Antworten geben kann.
GPT-4 kann nun Texte bis zu 25.000 Wörtern lesen, analysieren und generieren – das ist achtmal so viel wie bei ChatGPT zuvor und macht vor allem da einen Unterschied, wo es komplexer wird. Zum Beispiel bei der Erstellung ganzer Klageschriften gegen Betrugsanrufe – mit nur einem Klick. Darüber hinaus kann GPT-4 Bilder interpretieren, was ein riesiges Potenzial neuer Use Cases birgt: von visueller Assistenz für blinde oder sehbehinderte Menschen bis hin zur Erstellung einer Webseite einzig auf Basis einer groben Skizze. Parallel implementiert Microsoft das KI-System Copilot in die Office Suite und auch Googles Workspace steht mit einem entsprechenden Feature in den Startlöchern. Das Jahrzehnt der generativen KI nimmt richtig Fahrt auf.
Doch: Amy Webb wäre nicht Amy Webb, wenn sie nicht nachdrücklich vor den enormen Risiken der Technologie warnen und hierbei insbesondere die großen Tech-Unternehmen in die Pflicht nehmen würde. In ihrem diesjährigen SXSW-Auftritt stach dabei ein Aspekt besonders heraus: das Risiko einer neuen digitalen Kluft. Denn während das Potenzial von generativer KI keine Grenzen zu kennen scheint, wird die hochkomplexe Technologie wieder von einigen wenigen Unternehmen kontrolliert und ist nicht für alle gleichermaßen zugänglich – eine Botschaft, die hoffentlich nicht nur beim bunten Haufen in Austin angekommen ist.
von Finn Blug
Personal Growth
„Augmented Responsibility“: Mehr Chancen, mehr Verantwortung?
Im Tech Trends Report von Amy Webbs Future Today Institute heißt es auch, wir seien in der Ära des „Text-to-Everything“ angekommen, denn mithilfe immer mächtigerer KI-Sprachgeneratoren könnten wir bald nur noch per Sprachbefehl mit Software interagieren – grafische Benutzeroberflächen wären damit Vergangenheit.
Schaut man sich die Funktionen des neuen GPT-4 Sprachmodells an, ist es vielleicht sogar die Ära des „Everything-to-Everything“, in die wir eintreten – wenn GPT-4 nun auch mit visuellen Inhalten umgehen und nicht nur Benutzeroberflächen per Sprachbefehl bedienen, sondern auch Fotos von Kühlschrankinhalten in Rezepte und Einkaufslisten verwandeln kann.
Vor wenigen Wochen erst wies eine Gruppe Forschender darauf hin, dass „Augmented Intelligence“ – also das Zusammenspiel aus menschlicher Intelligenz und künstlich intelligenter Technik – auch „Augmented Responsibility" bedeutet. Je mehr Entscheidungen wir Maschinen überlassen, desto weniger verantwortlich fühlen wir uns häufig für das, was am Ende dabei herauskommt. Der Tech Trends Report erinnert uns an die Fragen, die wir uns stellen sollten: Sind wir vorbereitet auf eine Welt, in der unsere Aufgaben durch KI ergänzt oder vollständig automatisiert werden könnten? Können wir die KI-Anwendungen, die wir verwenden, erklären? Und: Welches Risiko gehen wir ein, wenn wir das nicht können?
von Lea Beiermann
Dive Deeper
Folge #9: SXSW 2023 | Gedankensmoothies | Multiversum
Für die neunte Folge von #ShiftHappens melden sich Miriam und Léa von der South by Southwest in Austin, Texas. Es geht um die Ära des Assistive Computings und warum diese eine neue digitale Kluft erzeugen könnte. Außerdem fragen sich die beiden, ob KI-Modelle schon bald nur noch in einem trüben Gedankensmoothie fischen werden. Und schließlich geht es um die Gleichzeitigkeit paralleler Universen – im Metaverse, der Quantentheorie, aber vor allem im Oscar prämierten Sci-Fi-Meisterwerk Everything Everywhere All At Once.
mit Miriam Meckel & Léa Steinacker
KI-Sprachmodelle: Es droht Textinzest
Sprachmodelle wie ChatGPT werden mit Texten aus dem Internet trainiert. Schon bald mit Texten, die sie selbst erschaffen haben. Dann wird es problematisch.
von Miriam Meckel
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