Nach Jahren der Duldung geht Peking nun gegen seine Bitcoin-Schürfer:innen vor – und führt gleichzeitig die weltweit erste staatliche Digitalwährung ein.
Die „Bitcoin-Miner“ lassen sich am Fuße des Himalayas finden, in den nebelverhangenen Bergdörfern der Provinz Guizhou oder entlang der Kohlefabriken in der Inneren Mongolei. Auf digitalen Landkarten sind ihre Kelleranlagen und umfunktionierten Lagerhallen jedoch nicht verzeichnet. Um sie aufzuspüren, muss man meist die gepflasterten Straßen verlassen und sich vom konstanten Summen der Maschinen leiten lassen. Überall, wo die Strompreise günstig und die Behördenkontrollen lax sind, lassen sie ihre Server heiß laufen, um neue Krypto-Coins zu schürfen.
Zu Hochzeiten wurden weltweit fast drei Viertel aller Bitcoins in der Volksrepublik angefertigt. Doch damit ist jetzt Schluss: Eine Provinz nach der anderen geht nun mit staatlicher Härte gegen die Miner vor. Am Mittwoch folgte zuletzt auch die Lokalregierung des nordwestchinesischen Qinghai mit einem Schwenk hin zur Null-Toleranz-Politik.
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Chinas Regierung dem Schürfen von Kryptowährungen den Riegel vorschiebt. Denn geduldet wurde die Branche nur deshalb, weil sie in ländlich rückständigen Gegenden etlichen Chines:innen ein wirtschaftliches Einkommen generierte. Doch die überaus energieintensive Tätigkeit lässt sich mittlerweile nicht mehr mit den strengen Klimazielen der Zentralregierung vereinen, die bis 2060 vollständige Karbonneutralität erreichen möchte.
Ganz grundsätzlich ist Peking Kryptowährungen à la Bitcoin sehr skeptisch eingestellt, ja mehr noch: Die Idee einer dezentralen Währung, deren Transaktionen nicht von der Staatsmacht überwacht werden können, zielt ganz direkt auf die zentrale Grundangst der Parteikader ab. Denn ihnen geht es bei allem, was sie tun, immer vorrangig um die vollständige Kontrolle. Kryptogeld widerspricht zudem auch den strengen Kapitalverkehrskontrollen Chinas, die eine Abwanderung der Volkswährung Renminbi (RMB) im großen Stil verhindern soll.
Dementsprechend rasch hat die Staatsführung den Handel mit Bitcoin als erste große Volkswirtschaft im Jahr 2017 verboten. Der alleinige Besitz hingegen ist jedoch nach wie vor legal. Und unter den technikversierten Millennials der chinesischen Ostküstenmetropolen ist es ein Leichtes, an Bitcoins heranzukommen – auch wenn es dafür ein Netzwerk an Mittelspersonen sowie eine stabile VPN-Software bedarf.
In den Bergdörfern der Provinz Guizhou wurden bis zuletzt verstärkt Bitcoins geschürft. Das ist endgültig vorbei. Foto: Getty Images
Die totalitäre Version der Kryptowährung
Doch dass China ausgerechnet jetzt so harsch gegen die Krypto-Branche vorgeht, hat noch einen weiteren Grund. Seit sieben Jahren nämlich arbeitet die Zentralbank der Volksrepublik an der ersten staatlichen Digitalwährung, die sich als eine Art „Anti-Bitcoin“ verstehen lässt: Sie wird zentral herausgegeben und macht jede Transaktion für die staatlichen Autoritäten vollständig überwachbar. Derzeit wird der „e-Yuan“ bereits flächendeckend in Pilotprojekten im ganzen Land ausprobiert. Zuletzt verloste die Stadtregierung Pekings 200.000 virtuelle Geldpakete im Wert von umgerechnet mehr als 25 Euro, um den Hauptstadtbewohner:innen das Herunterladen der neuen Digitalwährungs-App schmackhaft zu machen.
Dabei wird der chinesische Konsument die digitale Transformation kaum mitbekommen. Denn rein von der Benutzeroberfläche ähnelt der digitale Yuan ohnehin den mobilen Bezahldiensten wie „WechatPay“ und „AliPay“, die längst den Alltag dominieren: Man lädt eine App aufs Handy, die als virtuelles Portemonnaie fungiert, und kann dann via QR-Code Geld empfangen oder zahlen. Smartphone zücken, Scannen und Pin eingeben gehört längst zu den automatisierten Handlungsabläufen aller Chines:innen.
Denn Bargeld nutzt praktisch niemand mehr. Wer etwa in einem Pekinger Café einen 100 RMB Schein mit rotem Mao-Konterfei zückt, den wird man an der Kasse in etwa so ungläubig anstarren, als hätte gerade jemand einen Revolver gezogen. Auch Straßenbettler:innen haben längst ihren Spendenkorb durch ein Plastikschild mit QR-Code ersetzt. Jene rapide Entwicklung ist erstaunlich, hieß es in den meisten China-Ratgebern noch vor wenigen Jahren, man sollte zur Sicherheit stets ein paar Geldscheine in der Tasche mit sich führen. Längst ist das Gegenteil der Fall: Die wahre Mutprobe ist es, in China eine Woche lang ohne „WechatPay“ auskommen zu müssen.
Während der „e-Yuan“ auf der Benutzeroberfläche „WechatPay“ ähnelt, ist er für die Wirtschaftsplaner:innen der Zentralregierung ein regelrechter Gamechanger. Nicht nur lässt sich jede Transaktion künftig noch vollständiger überwachen, was etwa Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorfinanzierung theoretisch unmöglich macht. Mehr noch lässt sich die neue Währung gezielt so programmieren, dass jedwede Zweckentfremdung ausgeschlossen ist: Wenn etwa die Regierung im Zuge einer Pandemie die Gastronomie durch Finanzhilfen unterstützen möchte, dann aktiviert sich die überwiesene Summe erst, wenn sie auch tatsächlich beim Hotelbesitzer angelangt ist. Auch lässt sich die Währung mit einem zeitlichen Ablaufdatum versehen, etwa wenn die Regierung den Binnenkonsum ankurbeln möchte. Und sollte die Digitalwährung das Bargeld irgendwann einmal flächendeckend ersetzt haben, dann wäre es für die Regierung problemlos möglich, Negativzinsen effektiv und ohne Alternative in die Währung einzuarbeiten.
Pekings Parteiplaner:innen stehen also künftig ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung, die Wirtschaft in Echtzeit zu steuern – und auch zu überwachen. Dystopie und Utopie sind im China der Gegenwart stets eng miteinander verflochten. Doch auch europäische Zentralbanken werden wohl ganz genau auf den „e-Yuan“ in China schauen – mit einer Mischung aus Faszination, Neid und Skepsis.
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