Als Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung verbringt Dorothee Bär naturgemäß viel Zeit am Bildschirm. Warum sie dennoch nichts von „Digital Detox“ hält und nicht nur von Berufswegen gerne bei Instagram unterwegs ist, erzählt sie im Interview.
In #TheScreen sprechen wir mit Menschen über ihre Bildschirmzeit und wie ihnen ein achtsamer Umgang mit Technologie gelingt. Zum Auftakt haben wir die Digitalstaatsministerin und CSU-Politikerin Dorothee Bär gefragt, ob sie auf ihre Screentime achtet und welche Schlüsse sie für sich daraus zieht.
Achten Sie auf Ihre Bildschirmzeit, Frau Bär?
Dorothee Bär: Nicht ständig, ich sehe jedoch dann eine Veränderung oder Schwankung, wenn ich einmal ein paar Tage frei hatte oder mit meinen Kindern im Urlaub war. Im Großen und Ganzen hält sich meine Bildschirmzeit aber jede Woche die Waage.
Planen Sie denn bewusst bildschirmfreie Zeit in Ihren Alltag ein?
„Bildschirmfrei“ halte ich zum einen meine Schlafenszeit – das ist deswegen nicht trivial, weil ich meinen Schlaf nicht tracke. Das könnte man ja auch machen. Das Schlafzimmer ist allerdings komplett technikfrei. Zum anderen sind digitale Endgeräte auch beim Essen tabu – niemand darf ein Gerät am Tisch haben. Sonst gilt allerdings „mobile only“ – und nicht nur „mobile first“. Das heißt, ich arbeite, organisiere und informiere mich gänzlich über mobile Endgeräte, also über mein Smartphone und mein Tablet. Auch in meiner Freizeit schätze ich den Mehrwert der Technik: Ich benutze mein Handy zum Beispiel auch im Urlaub, um damit meine Kinder zu fotografieren oder ein Video aufzunehmen.
Das heißt auch dort verzichten Sie nicht bewusst auf ihr Smartphone?
Mit dem Begriff „Digital Detox“ kann ich nichts anfangen. Der Begriff ist irreführend, weil er suggeriert, dass Digitalisierung toxisch sei. Das kann man so pauschal nicht sagen. Ich empfinde die heutige Zeit mit den Möglichkeiten, die Digitalisierung mit sich bringt, als absolutes Privileg und Lebenserleichterung. Digitale Anwendungen sorgen zum Beispiel dafür, dass ich Karriere und Familie miteinander verbinden kann. Natürlich gibt es bestimmte bildschirmfreie Momente, an denen man sein Smartphone entweder gar nicht dabei oder ausgeschaltet hat, beispielsweise im Gottesdienst oder während des Essens. Aber es ist nicht so, dass ich das Gefühl habe, ich werde dominiert von meinen Geräten.
Sondern?
Die Technologie hilft natürlich auch, trotz Sitzungswochen in Berlin mit meiner Familie Kontakt zu halten. Mithilfe digitaler Geräte kann man sich noch näher sein, als es früher möglich war, denn die Bildübertragung vermittelt ein anderes Gefühl von Nähe. Gestern zum Beispiel konnte ich trotz Termine meiner Tochter per Facetime bei der Leichtathletik zuschauen.
Man muss manchmal ja auch gegen die kulturpessimistische Wahrnehmung dieser Technologien ankämpfen.
Absolut. Ein weiteres persönliches Beispiel: Ich war ein Jahr lang Schülerin in den Vereinigten Staaten und habe dort meinen Highschool-Abschluss gemacht. Die Telefonate mit meinen Eltern in Deutschland waren leider sehr teuer, weswegen sie nicht so ausführlich stattfinden konnten. Jetzt geht unsere älteste Tochter im Sommer ein Jahr ins Ausland und ich bin froh, dass ich enger Kontakt zu ihr halten kann, als ich das damals mit meinen Eltern konnte. Das soll aber nicht heißen, dass ich diese Entwicklung nicht auch mit wachsamem Auge verfolge: Ich sehe es als Aufgabe der Bundesregierung an, diese Entwicklung zu begleiten, Regulierungslücken zu identifizieren und durch Ordnungsrecht und anderweitige Maßnahmen ein dem Menschen dienendes digitales Umfeld zu schaffen. Die Technik soll uns Menschen dienen und nicht umgekehrt. Ich sehe meine Geräte als meine Dienstleister an.
Gibt es eine Anwendung, von der Sie sagen würden, diese App ist Ihr „Guilty Pleasure“? Mit der Sie zu viel Zeit verbringen, wenn Sie sich nicht bewusst zurücknehmen?
Ich habe mich sehr gut im Griff, würde ich persönlich sagen. „Guilty Pleasure“? Ich bin viel auf Instagram...
Natürlich auch von Berufswegen, oder?
„Ausschließlich von Berufswegen“ – das könnte ich jetzt behaupten. Aber natürlich informiere ich mich da auch über andere Bereiche, die mich persönlich interessieren – zum Beispiel Accounts aus dem Food-Bereich. Ich folge einem Account mit den unfassbarsten Sushi-Kreationen der Welt. Oder Accounts, die mich zum Joggen motivieren. Oder TikTok-Videos mit meinen Kindern – natürlich kann man immer sagen, ich müsse das alles von Berufswegen machen. Und natürlich muss ich die Entwicklungen auch im Blick behalten, aber diese sind ja auch spannend. Zugleich ist es aber nicht so, dass ich das Gefühl habe, ich müsste mich zurücknehmen, das könnte mir beim Fernsehschauen viel eher passieren (lacht). Mein Handy kann ich schon wieder weglegen.
Sie haben also auch keine Zeitlimits für bestimmte Anwendungen festgelegt?
Nein, tatsächlich nicht. Entweder nutze ich mein Handy oder eben nicht. Teilweise nutze ich es stundenlang nicht – zum Beispiel, wenn ich in Terminen bin. Dann drücke ich mein Handy meistens meinem Mitarbeiter oder meiner Mitarbeiterin in die Hand.
Haben Sie aus der Beschäftigung mit Ihrer Bildschirmzeit noch weitere Schlüsse gezogen?
Morgens wird die Zeit knapp. Wenn ich aufstehe, überprüfe ich erst einmal alle Nachrichtenkanäle – was wo auf der Welt passiert ist. Zeitungen lese ich natürlich auch digital. Weil ich nicht wie früher nur ein, zwei Heimatzeitungen physisch abonniert, sondern tatsächlich alle Zeitungen und Magazine, die mich interessieren, auf meinem Tablet habe, muss ich mich morgens manchmal zwingen, erst in die Dusche zu gehen, bevor ich alles gelesen habe, weil mir sonst die Zeit wegrennt. Man verliert da schnell das Zeitgefühl, aber das gilt beim „normalen Zeitunglesen“ natürlich auch. Da denke ich mir manchmal: Ich muss den Tag jetzt erstmal richtig beginnen, damit mir später die Zeit nicht fehlt.
Wie gelingt Ihnen denn generell ein achtsamer Umgang mit Technologie?
Ich besitze nur Geräte, die ich tatsächlich benutze – wie meine Smartwatch zum Sportmachen. Außerdem lösche ich regelmäßig Apps, die ich nicht mehr brauche. Ich habe einen sehr aufgeräumten Desktop auf meinem Tablet, gut sortiert und strukturiert. Und ich habe bei keiner App Push-Benachrichtigungen eingeschaltet – außer natürlich vom FC Bayern (lacht). Ich bekomme keine Push-Nachricht, wenn bei Twitter, Facebook oder Instagram etwas passiert, es wird auch keine SMS oder Whatsapp-Nachricht angezeigt. Anrufe empfange ich nur auf meiner Uhr, denn das Handy ist den ganzen Tag lautlos. Wenn ich Zeit habe, benutze ich mein Handy aktiv und schaue mir dort alles an, aber ich würde mich nie durch die Aktivitäten auf meinen digitalen Endgeräten von meinem Tagesrhythmus ablenken lassen.
Foto im Titelbild: Bundesregierung/Jesco Denzel