Frans Johansson ist ein Meister darin, Innovation in Unternehmen durchzusetzen. Hier erklärt er, wie das gelingt.
George W. Bush wird als US-Präsident wiedergewählt, Irland verhängt als weltweit erster Staat ein Rauchverbot in Pubs und ein Student namens Mark Zuckerberg startet an der Harvard-Universität ein soziales Netzwerk: Diese Meldungen aus dem Jahr 2004 wirken, als seien sie noch älter. Doch ein Buch, das damals erschien, ist auch heute noch hochaktuell. Ein schwedischamerikanischer Absolvent der Harvard Business School beschrieb darin, wie aus der Kombination verschiedener Disziplinen, Perspektiven und Kulturen neue Ideen entstehen.
Er nannte dieses Phänomen den „Medici-Effekt“ – in Anlehnung an die Medici-Dynastie, die im 15. Jahrhundert Kreative aus Kunst, Architektur, Ingenieurwesen und Finanzbranche in Florenz zusammenbrachte und so ein europäisches Innovationszentrum erschuf. Das Buch wurde zum Bestseller und sein Autor, Frans Johansson, zum gefragten Innovationsguru. Heute berät er Organisationen wie Disney, Nike oder die US-Navy dazu, wie sie Kreativität bei ihren Mitarbeiter:innen fördern können. Dabei hat er Einblick in viele verschiedene Unternehmen gewonnen – und noch mehr darüber gelernt, wie Innovation entsteht.
Innovationsguru Frans Johansson.
In einem Gespräch fürs ada | fellowship sprach er über das Geheimnis erfolgreicher Ideenschmieden und nannte dabei sieben Punkte, in denen besonders innovative Organisationen sich von anderen unterscheiden:
1. Sie priorisieren Vielfalt.
Innovative Teams wissen, dass jede neue Idee im Grunde eine Kombination bestehender Ideen ist. Deshalb bringen sie möglichst verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven zusammen – und kreieren so den Medici-Effekt am Arbeitsplatz.
2. Sie pfeifen auf Logik.
Noch immer dominiert die Vorstellung, dass tiefes Fachwissen und die rationale Analyse eines Problems schon zum Erfolg führen werden. „Wenn Sie glauben, dass Logik im Grunde Ihr Wettbewerbsvorteil ist, dann müssten Sie glauben, dass Ihre Konkurrent:innen keinen Zugang zur Logik haben“, sagt Johansson. Das ist aber nicht der Fall. Wenn alle so vorgehen, gelangen auch alle zu der gleichen logischen Lösung. Um sich von anderen abzusetzen und wirklich etwas zu verändern, braucht es ungewöhnliche Ideen.
3. Sie verabschieden sich vom Rendite-Denken als Leitmotiv.
Johansson erklärt den Ausbruch aus der „normalen“ Logik an einem Beispiel: Wenn zehn Ideen vorliegen, entscheiden sich viele CEOs für die Idee, die am meisten Rendite verspricht. Wer so handelt, verfolgt ein logisches Ziel (siehe Punkt 2). Innovative Teams ersetzen Rendite durch andere Kriterien wie Neugier oder Spannung: Welche Idee löst am meisten Begeisterung aus? Welche ist am unbequemsten? Möglicherweise ist das die richtige.
4. Sie lernen durchs Handeln.
Wer sehr sorgfältig überlegt, was der nächste Schritt sein könnte, verpasst möglicherweise, ihn zu gehen. Also gilt es, Ideen auszuprobieren: im echten Leben, mit echten Kund:innen, um im Anschluss zu analysieren, was funktioniert hat und was nicht. Diese Experimente sollten in hoher Frequenz ablaufen, sagt Johansson: „Wenn ein Versuch fehlschlägt, versuchen Sie etwas anderes. Wenn er funktioniert, stürzen Sie sich darauf.“
5. Sie setzen sich ein erreichbares Ziel.
„Jemand muss abstecken, in welche Richtung sich das Team bewegt und warum“, sagt Johansson. Um das langfristige Ziel zu erreichen, probieren Teams verschiedene Wege aus (siehe Punkt 4!) und gestehen sich dabei einige Umwege, Sackgassen und Neustarts zu. Niemand hat Spaß am Scheitern – wer es aber als vorübergehenden Rückschlag auf dem Weg zum Erfolg ansieht, empfindet es als weniger schlimm.
6. Sie setzen nicht alles auf eine Karte.
Innovative Teams stellen sich beim Experimentieren die Frage: Gemessen an den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen – Zeit, Geld, Personal –, wie oft dürfen wir falschliegen? Lautet die Antwort „am besten gar nicht“, sind sie in einer schwierigen Lage. Also verringern sie den Ressourceneinsatz pro Experiment. So verlieren sie nicht mehrere Monate, sondern höchstens zwei oder drei Wochen, wenn ein Versuch scheitert.
7. Sie empfinden Videokonferenzen nicht als Fluch, sondern als Segen.
Virtuell lassen sich Meetings schneller umsetzen und inklusiver gestalten: Man kann Menschen hinzuschalten, die bei einem realen Treffen vielleicht nicht dabei sein könnten. So erhöht sich die Vielfalt der Perspektiven. Und: Niemand sitzt am Kopfende des Tischs oder provoziert durch Kleidung oder Auftreten. Vor der Kamera sind alle gleich.
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